Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Schreiben? Ja. Aber wie?
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Ruth
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Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Ruth »

Hanna hat geschrieben: Sonntag 28. August 2022, 10:29 Stil ist aber auch etwas, das sehr mit der eigenen Persönlichkeit zusammenhängt. Eine gewisse Methode zu lernen ist die eine Sache (und das fällt mir schon schwer), aber einen bestimmten Stil zu lernen? Sozusagen jemand anderen zu imitieren? Obwohl man es vielleicht gar nicht so empfindet wie diese/r andere? Das erscheint mir fast unmöglich. Ich könnte niemals so schreiben wie Steffi oder Sina. Ganz zu schweigen von Dir, Ruth. Deshalb denke ich, interessant mag es ja sein, aber ist es überhaupt machbar? 🤔
Machbar ist vieles. Ebenso wie interessant. Aber für mich wäre eben auch die Frage: Ist es sinnvoll?

Da sich das in dem anderen Thread jetzt so ergeben hat, habe ich mal einen neuen Thread zu „Stil“ aufgemacht. Meistens macht man sich nicht so viele Gedanken zu Stil. Man schreibt eben so, wie man schreibt. Wie man auch spricht. Das unterscheidet sich ja schon sehr. Die Wortwahl, die Syntax, die Grammatik, die Länge der Sätze, auch die Länge der Wörter, hängt oft sehr vom Bildungsstand ab und vom Beruf, von der Familie, von der Region, in der oder dem Land, in dem man aufgewachsen ist, von sehr vielen Dingen.

Somit schreibt jede Autorin auch diesen Kriterien entsprechend. Ganz von selbst. Was beispielsweise zu Problemen führen kann, wenn man studiert hat und einen wissenschaftlichen Stil gewöhnt ist, wie er an der Uni üblich ist. Das war am Anfang mein Problem. An der Universität ist fast jedes zweite Wort ein Fremdwort, die Sätze sind sehr lang und oft auch kompliziert. Es geht in erster Linie darum, Informationen zu vermitteln, nicht Gefühle.

Ganz anders, wenn man einen Roman schreibt. Da sollten die Sätze kurz und verständlich sein. Fremdwörter sollte man nur dann verwenden, wenn sie allgemein bekannt sind. Und Dialoge sollten zwar natürlich klingen, aber sie dürfen auch nicht ganz genau dem entsprechen, wie man tatsächlich spricht, dann werden sie in Schriftform oft unverständlich oder haben zu wenig Struktur.

Es gibt viele Dinge, die einen Stil prägen, und als Schriftstellerinnen sollten wir uns dessen durchaus bewusst sein. Wenn man das nicht ist, kommt oft so etwas dabei heraus wie viele der Manuskripte, die wir zugeschickt bekommen. Selbst wenn die Autorin die Rechtschreibung und Grammatik der deutschen Sprache beherrscht, ist der Stil oft hölzern. Weil man denkt, man müsste in Schriftform alles gediegener ausdrücken, es müsste sich sehr von der gesprochenen Sprache unterscheiden. Das klingt dann manchmal so wie ein Geschäftsbrief.

Oder es ist zu flapsig, zu sehr der Umgangssprache angepasst. Das liest sich dann meistens auch nicht gut. Umgangssprache kann ein Stilmittel sein, um eine bestimmte Figur in einem Roman zu charakterisieren, in einem Dialog beispielsweise. Eine Professorin spricht anders als ein Bauarbeiter. Das ist dann keine Wertung, nur eine Darstellung dieser Charaktere. Die Sprache, die sie verwenden, ist Show don't tell.

Aber im erzählenden Teil sollte keine Umgangssprache verwendet werden. Da sollte am besten eine gewisse Neutralität gewahrt bleiben.

Außer natürlich, man will damit eine bestimmte Wirkung erzielen. Wie beispielsweise in der Adaption des Werther von Goethe, ich ich zu Schulzeiten lesen musste, „Die neuen Leiden des jungen W.“. Da versuchte der Autor, die Geschichte in die moderne Zeit zu versetzen (damals 1968, eine Zeit des Umbruchs) und ließ den Protagonisten sehr flapsig reden. Aber das ist dann kein Zufall, sondern Absicht. Und als Stilmittel große Kunst.

Mit persönlich hat diese Flapsigkeit trotz der unbestreitbaren Kunstfertigkeit des Autors nie gefallen. Aber das ist Geschmackssache. Deshalb ist das kein Werturteil.
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AnneW
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von AnneW »

Da würde ich gern noch mal auf das zurückkommen, was Katja gestern sagte.
Katja hat geschrieben: Samstag 27. August 2022, 20:31 Erstmal: Was für eine tolle Geschichte! 👏👏👏 Auch die Art, wie die Frau das so trocken erzählt, gefällt mir sehr gut. Darüber habe ich jetzt gerade so nachgedacht. Wie wäre es, einen Roman so zu erzählen? Der Stil hier ist sicherlich Twitter geschuldet. Sie hat versucht, das so kurz und knapp wie möglich zu halten. Aber das erzeugt eine ganz eigenartige Atmosphäre, die einen sehr reinzieht.
Es würde mich sehr reizen, so zu schreiben. Es muss noch nicht einmal genau diese Idee sein (obwohl mich die durchaus auch reizen würde), aber der Stil. So trocken und knapp und doch herzerwärmend. Eine ungewöhnliche Kombination, wenn ich mir das in einem Roman vorstelle.
Wäre das nun Flapsigkeit, Ruth? Oder ist das eine Art Stil, die man durchaus in Betracht ziehen könnte?
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Ruth
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Ruth »

Ganz klar könnte man das in Betracht ziehen. Wie Kay ebenfalls gestern in dem anderen Thread schon sagte:
Kay hat geschrieben: Samstag 27. August 2022, 21:25Da kann ich Dir nur aus vollem Herzen zustimmen. Normalerweise mag ich diesen Soziale-Medien-Stil nicht (ich mag die sozialen Medien auch nicht besonders), aber hier bei dieser Geschichte verleiht dieser Stil der Geschichte eine besondere Atmosphäre. Und das wäre auch interessant für einen Roman. Man müsste mal versuchen, so zu schreiben, und sehen, was dabei herauskommt.
„Es verleiht eine besondere Atmosphäre“ ist hier das Stichwort. Oder vielleicht sogar nur „verleiht“. Das bedeutet, es ist Absicht. Es passiert nicht einfach oder ist das Einzige, was die Autorin kann, es ist ein absichtlich eingesetztes Stilmittel. Und die Autorin kann ganz individuell entscheiden, ob sie das nutzen will oder nicht, ob sie das einsetzen will oder nicht. Und wie sie es einsetzen will.

Das gilt für alle Stilmittel. Wenn man weiß, was man tut, ist so gut wie alles erlaubt. Wenn man aber nur zufällig wie ein blindes Huhn ein Korn trifft, führt das meistens zu keinem guten Ergebnis.

Ganz besonders sieht man das heutzutage oft an Redewendungen. Oftmals kennen die Leute die Redewendung gar nicht mehr richtig, würfeln wild irgendwas zusammen, und das wirkt dann oft lächerlich. Aber ungewollt lächerlich. Während die Autorin das ganz ernst meint. Weil sie die richtige Redewendung gar nicht kennt, sondern die falsche für die richtige hält.

Da ist etwas dann sehr deutlich schiefgegangen. Und die Autorin erzielt damit den gegenteiligen Effekt von dem, den sie eigentlich erzielen will.
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Kay
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Kay »

Sehr interessantes Thema! 🙂 Ich sagte es ja gestern schon, mir erscheint diese Art zu schreiben reizvoll, auch wenn es nicht meine Art zu schreiben ist. Aber was ist „meine Art zu schreiben“ überhaupt? Das fragt man sich ja selbst oft. Was ist der eigene Stil? Woraus besteht der? Man analysiert sich ja meistens nicht selbst, wie man das beispielsweise im Germanistikstudium mit Texten tut.
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Laura
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Laura »

Ruth hat geschrieben: Sonntag 28. August 2022, 11:35Weil sie die richtige Redewendung gar nicht kennt, sondern die falsche für die richtige hält.
Da sage ich jetzt mal ganz frech: Es gibt Lexika für Redewendungen. 🙂 Auch online. Da kann man jede Redewendung nachschauen, wenn man sie verwenden will.

Aber zum Thema Stil. Was ist Stil? Das frage ich mich auch oft. Wenn man von einem Menschen spricht, sagt man auch manchmal "Der oder die hat Stil". Beim Schreiben kann man das aber so nicht sagen. Oder doch? Und wenn, woraus besteht dieser Stil dann?

Ich habe mir bisher auch noch nie so richtig Gedanken darüber gemacht, aber vielleicht sollte ich das mal tun.
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Ruth
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Ruth »

Darum geht es hier in diesem Thread. 😎 Genauso wie im wahren Leben sollte man sich auch beim Schreiben Gedanken über seinen Stil machen, aber man darf es auch nicht übertreiben. Wenn ich mir im täglichen Leben jedes Mal überlegen würde Hat das jetzt Stil, was ich tue, oder nicht? käme ich nirgendwo hin. Ich wäre in all diesen Überlegungen erstarrt.

Stil hat man meistens deshalb, weil man ein gutes Herz hat, weil man eine gute Erziehung genossen hat, weil man Mitgefühl und auch Selbstbewusstsein hat. Oder zumindest etwas davon. Jemand, der zwar eine gute Erziehung genossen hat, aber ständig lügt oder gemein gegenüber seinen Mitmenschen ist, hat keinen Stil.

Genauso sieht es mit dem Stil beim Schreiben aus. Wenn man ein gutes Herz hat, wird sich das im eigenen Stil widerspiegeln. Wenn man eine gute Ausbildung genossen hat, wird sich das im eigenen Stil widerspiegeln. Wenn man ein Gefühlsmensch ist, wird sich das im eigenen Stil widerspiegeln. Wenn man ein eher tatsachenbezogener Mensch ist, ebenso.

Nun gibt es aber nicht nur den Stil, sondern auch die Stilmittel. Und das ist ein ganz anders Thema. Stilmittel kann man sich aneignen, auch wenn sie nicht dem eigenen Stil entsprechen oder man noch gar keinen eigenen Stil entwickelt hat. Die Summe der Stilmittel ist dann zum Schluss der eigene Stil, ergänzt mit der eigenen Persönlichkeit.
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Angela
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Angela »

Kay hat geschrieben: Sonntag 28. August 2022, 11:42Aber was ist „meine Art zu schreiben“ überhaupt?
Damit versetzt Du mich jetzt in tiefste Verwirrung. 😕 Muss ich mir darüber jetzt auch noch Gedanken machen? Nicht nur über die Methode? Damit habe ich schon Schwierigkeiten genug. 😉
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Steffi
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Steffi »

Als Spezialistin in Verwirrung 😎 sage ich jetzt mal, lieber nicht zu viele Gedanken machen, sondern die Dinge eher ruhen lassen. Der Stil entwickelt sich meiner Meinung nach aus dem, wer man ist, was man weiß, was man gelernt hat, wie Ruth oben sagte.
Ich bin überzeugt davon, dass ich mich nicht zu einem bestimmten Stil zwingen kann. Ich kann vielleicht einer Methode folgen, aber keinem Stil. Ich kann nicht den Stil einer anderen Person imitieren. Ich kann nur in meinem eigenen Stil schreiben. Der sich jetzt durch das wieder mehr Schreiben aber in eine andere Richtung entwickelt, als er z.B. noch bei der Pantherin war.
Das ist auch eine Frage der Stilmittel, von denen ich jetzt immer mehr kennenlerne. Ich glaube, die Stilmittel sind wichtiger als vieles andere. Wenn ich keine Stilmittel habe, wie will ich da einen Stil haben? Das geht doch gar nicht.
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Kay
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Kay »

Angela hat geschrieben: Sonntag 28. August 2022, 12:09Damit versetzt Du mich jetzt in tiefste Verwirrung. 😕 Muss ich mir darüber jetzt auch noch Gedanken machen? Nicht nur über die Methode? Damit habe ich schon Schwierigkeiten genug. 😉
Das wollte ich nicht, Angela, Dich in Verwirrung versetzen. 🙂 Ich würde mich da Steffi anschließen: nicht zu viele Gedanken machen. Ich glaube, wir haben jede unsere Art zu schreiben. Es sollte sich einfach natürlich anfühlen. So weit wie möglich von selbst und aus uns selbst kommen. Alles andere ist doch nur aufgepfropft.

Aber Stilmittel sind wichtig. Das finde ich auch. Manchmal sitze ich da und denke darüber nach, wie ich etwas gestalten kann, und mir fehlt tatsächlich das Stilmittel dazu. Es gibt glaube ich Auflistungen von Stilmitteln, aber man muss ja auch wissen, was was ist. Welches das richtige zu dem Zeitpunkt, an dem ich es gerade brauche, ist. Wenn ich einen Hammer nehme, um einen Knopf anzunähen, werde ich damit nicht weit kommen. 😎
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Ruth
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Ruth »

Ja, es gibt Listen für alles. 🙂 Aber ich stelle immer wieder fest, dass die Listen entweder zu kurz oder zu lang sind. Und oftmals nicht aufs Romanschreiben bezogen.

Und was nützt einem eine Liste, wenn man sie nicht einsetzen kann? Wie in Deinem sehr treffenden Beispiel mit dem Hammer und dem Knopf. Auf meiner Liste stehen Hammer, Faden, Nadel und vielleicht noch tausend andere Sachen. Je länger die Liste ist, desto mehr Auswahl habe ich, desto länger dauert die Suche und desto mehr Entscheidungen muss ich treffen, ob das jetzt das Richtige ist oder nicht.

Aber welche Kriterien habe ich für meine Entscheidungen? Nur mein Vorwissen. Wenn ich weiß, dass man einen Faden und eine Nadel braucht, um einen Knopf anzunähen, suche ich sofort das Richtige aus. Gut, dann muss man immer noch nähen können 😉, aber zumindest habe ich das richtige Werkzeug. Wenn ich das Vorwissen aber nicht habe, wähle ich vielleicht tatsächlich den Hammer. Und dann stehe ich da.

Man sollte Stilmittel nicht aus einer Liste lernen, sondern in der praktischen Anwendung, finde ich. Und durch viel Lesen, denn dann prägt sich das automatisch ein.

Spezialfälle sind vielleicht so etwas wie Show don’t tell und ähnliche Stilmittel. Wenn man nicht weiß, dass es das gibt, erkennt man das nicht, kann es nicht benennen und nicht anwenden. Man merkt den Effekt, nämlich die Lebendigkeit, die Bildhaftigkeit, die Verwandschaft zum Film, aber das ist so wie eine rote Rose zu sehen. Ich sehe das Rot und ich sehe die Rose, ich empfinde die Wirkung auf mich, aber deshalb weiß ich noch lange nicht, wie die Rose oder das Rot entsteht.
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Sina
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Sina »

Das ist eine Frage, die ich mir immer wieder stelle, wie lerne ich so was? Aber das ist dann zum Schluss doch so etwas wie Imitation. Oder nicht? Denn gerade Show don’t tell ist so schwer zu beschreiben oder – wie soll ich sagen – trocken zu lernen. Da schaut man sich das an, was andere gemacht haben, sieht Beispiele, lernt Beispiele, und das muss man dann nachmachen.
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Katja
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Katja »

Ach, das ist ja mein Thema. 😃 Ist denn das, was wir in diesem Text mit Tom und Tim gesehen haben, auch ein Stilmittel? Wir sagten ja schon, das ist in gewisser Weise Twitterstil, kurz, knapp, auf das Wesentliche beschränkt. Sogar trocken in gewisser Weise, aber auf eine interessante Art trocken.

Wäre es nun nützlich, einen Roman sozusagen "in Twitter" zu schreiben? Oder tatsächlich auf Twitter? Jeden einzelnen Textteil im Voraus auf die erlaubte Anzahl Zeichen zu beschränken? Würde das zu diesem Stil beitragen?

Und auch die alte Frage: Wäre es sinnvoll? Würde das etwas bringen für einen ganzen Roman? Oder müsste/sollte man das dann nur auf einen kleinen Teil des Romans beschränken, um beispielsweise eine bestimmte Person und deren Sicht auf die Welt zu charakterisieren?
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Ruth
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Ruth »

Man würde das einen minimalistischen Stil nennen, und das ist ganz sicher ein Stilmittel. Alles Überflüssige wegzulassen, sich nur auf das Nötigste, das Wesentliche beschränken.

Ich weiß nicht, ob sich jemand noch daran erinnert, aber vor zehn Jahren habe ich schon mal so eine Art „Twitter-Roman“ auf Twitter gemacht. 🙂 Da ging es um ein Kloster und um die beiden Klosterschwestern Regina und Leonie. Damals waren die Zeichen allerdings noch sehr begrenzt. Gerade das hat mich damals gereizt. Dennoch war es sehr mühsam. Heute sind nicht nur die einzelnen Tweets doppelt so lang, man kann sie auch aneinanderhängen zu einer ganzen Story, das ging damals noch nicht.

Es war eine sehr lustige Sache und als Aprilscherz gedacht, aber es hat mir auch einiges an Erfahrungen verschafft. Ich glaube, es wäre eine sehr gute Übung für Leute, die dazu neigen, ins Plappern zu kommen, die vom Hölzchen aufs Stöckchen kommen, aber nicht auf den Punkt. Insofern könnte ich mir das gut als Schreibübung vorstellen. 😎
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AnneW
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von AnneW »

Katja hat geschrieben: Sonntag 28. August 2022, 13:03Würde das etwas bringen für einen ganzen Roman? Oder müsste/sollte man das dann nur auf einen kleinen Teil des Romans beschränken, um beispielsweise eine bestimmte Person und deren Sicht auf die Welt zu charakterisieren?
Das ist schon wieder eine interessante Idee von Dir. 👍 Nur einen Teil des Romans, wenn es um eine ganz bestimmte Person geht oder die Person die Perspektive hat, so zu schreiben. Das hat mir jetzt sofort eingeleuchtet als Stilmittel.

@Ruth
Ich erinnere mich an Deinen Twitterroman. 😉 Das war sehr lustig. Du solltest das mal als Buch rausbringen.
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Ruth
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Ruth »

Das war nur ein Fragment, keine vollständige Geschichte. 🙂 Es war wie gesagt nur ein Jux. Ich habe meinen Twitter-Account am 1. April 2012 eröffnet, und das war quasi ein Aprilscherz. 😎
Sina hat geschrieben: Sonntag 28. August 2022, 12:54Das ist eine Frage, die ich mir immer wieder stelle, wie lerne ich so was? Aber das ist dann zum Schluss doch so etwas wie Imitation. Oder nicht? Denn gerade Show don’t tell ist so schwer zu beschreiben oder – wie soll ich sagen – trocken zu lernen. Da schaut man sich das an, was andere gemacht haben, sieht Beispiele, lernt Beispiele, und das muss man dann nachmachen.
Ja, das ist eine Art von Imitation. Aber auch eine Art, Verständnis zu erlangen für so etwas wie Show don’t tell. Das erinnert mich ein bisschen an die Art, wie man ein Instrument lernt. Wie man überhaupt Musik lernt oder Verständnis für Musik. Man hört sich viel Musik an (beim Schreiben heißt das, man liest viele, möglichst verschiedene Bücher) und man versucht, so zu spielen, wie man es bei Profis hört.

Das kann einerseits die Art sein, wie jemand eine Mozartsonate spielt oder Bach oder Chopin, es kann aber auch so etwas wie Jazz sein, wo man dann auch Solos anhört, Improvisationen. Die nicht auf einem Notenblatt stehen, sondern mehr aus dem Gefühl heraus entstehen.

Wenn man dieses Gefühl nicht hat, wenn man kein Verständnis für die Musik an sich hat, kann man sich so viele Improvisationen anhören und die nachspielen, wie man will. Man wird nie lernen, einen eigenen Stil dabei zu entwickeln. Aber es ist durchaus nützlich, Teile von Solos nachzuspielen, die einem gefallen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie man ein eigenes Solo kreieren kann.

Man muss die Prinzipien begreifen, auf denen diese Solos oder in unserem Fall Show don’t tell basieren. Es nützt nichts, ein schönes Show don’t tell zu nehmen und das in einen eigenen Text zu schreiben. Es kann natürlich passen, aber wenn man das Prinzip nicht begriffen hat, wird man nie eine eigene bildhafte Darstellung erschaffen können. Man wäre dann auf so etwas wie Textbausteine angewiesen. Und mit Textbausteinen kann man kein gutes Buch schreiben. Das wird dann immer sehr stümperhaft wirken, sich nicht zu einem runden Großen und Ganzen zusammenfügen.
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Steffi
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Steffi »

Ruth hat geschrieben: Sonntag 28. August 2022, 17:41Man muss die Prinzipien begreifen
Allerdings hört sich das jetzt einfacher an, als es ist. Ich glaube, Schreiben zu lernen braucht genauso lange wie ein Instrument zu lernen. Und das dauert Jahre. 😧 Aber wir sind ja alle lernwillig und lernfähig. 😉

Aber Sina, jetzt mal ehrlich ... Was willst Du denn noch lernen? Du hast doch schon wunderbare Bilder gefunden. Ich sage nur Kalebasse. 😎 Vielleicht machst Du Dir Gedanken über etwas, das Du eigentlich schon kannst. Dein neuer Roman, den Du gerade im Forum schreibst, liest sich leicht und locker, und da ist schon eine ganze Menge Show don't tell enthalten. Schreib einfach so weiter, dann brauchst Du Dir glaube ich keine großen Sorgen über Stilmittel zu machen. 👍
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Kay »

Katja hat geschrieben: Sonntag 28. August 2022, 13:03Würde das etwas bringen für einen ganzen Roman?
Ich muss ehrlich sagen, wenn ein ganzer Roman so geschrieben wäre, würde mir das beim Lesen wahrscheinlich auf die Nerven gehen. 😉 Für so ein kurzes Stück Text ist das lustig, aber das über Zehntausende von Wörtern? Es ist natürlich Geschmackssache, aber da würde ich einen klassisch geschriebenen Roman vorziehen.

Die Idee, mal ein kurzes Stück so zu schreiben, um eine bestimmte Person zu charakerisieren, finde ich aber nach wie vor reizvoll.
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Ruth
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Re: Wie schreibt man einen Roman? - Mein Stil oder dein Stil?

Beitrag von Ruth »

Dann tu das doch einfach. Probier es aus. 😃 Im Grunde genommen kann nicht viel schiefgehen dabei. Und wie ich schon sagte, ist es auf jeden Fall eine gute Übung.

Ich würde auch denken, dass ein ganzer Roman vielleicht nicht in einem solchen Stil geschrieben sein sollte. Das könnte nervig oder langweilig werden. Aber als Abwechslung wäre der Stil bestimmt geeignet.

Das gilt allerdings für alle Stilmittel. Ein gutes Stilmittel ist eins, das nicht zu oft vorkommt. Das immer noch ein Überraschungsmoment hat. Jedes Stilmittel, wie toll es auch immer sein mag, kann sich totlaufen. Ein Show don't tell nach dem anderen kann einen richtig fertigmachen. 😎 Obwohl Show don't tell an sich eine gute und wünschenswerte Sache ist.
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